Rezension
Jutta Treiber
Lyrisches Kulinarium. Ein poetisches Hausbuch für Groß und Klein
edition lex liszt 12 2024, 184 Seiten
ISBN 978-3-99016-269-9
Im Laufe ihres konsequenten Schriftstellerinnen-Lebens bewegte sich Jutta Treiber in mannigfaltigen Bereichen – folgerichtig mäanderte sie auch in ihrer Poesie-Küche zwischen verschiedenen Gedicht-Gerichten. Allmählich sammelten sich dichterische Rezepte, die irgendwann nach einer Ordnung verlangten, sodass sich ein Kulinarium als optimal erwies, nämlich gleichermaßen für große wie für kleine Leserinnen und Leser. Vollkommen logisch bei einer Autorin, die sowohl Kinderbücher als auch Literatur für Erwachsene verfasst. Daher erweist es sich keineswegs als verwunderlich, dass die Treibersche Lyrik-Küche über einen umfassenden Blickwinkel verfügt, zumal Vielseitigkeit ein charakteristisches Markenzeichen ihrer Literatur ist.
An die Muse (S. 9)
O Muse, hast du jemals mich geküsst
nicht nur gestreift, berührt, vielleicht gekitzelt
geärgert gar, ins Auge mir geblickt
jedoch geküsst, fürwahr, ich glaub es nicht
müsst ichs nicht wissen
O Muse, oft hast du mich schon genarrt
gelächelt, deine Lippen keck gespitzt
…
Du hast mir zart die Finger
auf den Arm gelegt
dein Atem wehte licht an meiner Stirn
jedoch ein Kuss, ein saftig dicker Kuss
aus dem ein ganzes Werk geflossen wäre – nein
…
Der Rest ist Schweiß und Ausdauer Geduld
und Zittern Bangen Hadern
und große Bogen gehen um
ein glotzend Schreibgerät
Das Hausbuch der Jutta Treiber enthält 18 Kapitel, manche davon sind üppig, andere wiederum vornehm schlank. Jedenfalls lässt sich ohne EINKAUFSLISTE kein KINDERTELLER zubereiten, natürlich auch kein MUTTERTAGSKUCHEN oder WEIHNACHTSSTOLLEN, so manches wird MIT LIEBE UND HERZSCHMERZ ZUBEREITET:
Zuchtperlen (S. 22)
Zuchtperlen
Phrasen Wortkaskaden
kollernd klirrend
zu Boden
Lebenslügen
zerschellen
an den Felsen
der Erinnerung
Zum RITTERMAHL schreibt das Burgfräulein (S. 19):
Die Welt ist kalt
mein Rücken fröstelt mir
Elektromotor
kann mich nicht erwärmen
im Rücken ist die Tür
auch im Gesicht
sind beide offen
doch ich rühr mich nicht
Freiheit bleibt draußen
friert
Bei jeder HENKERSMAHLZEIT stellt sich die Frage:
HOMO wie bitte? (S. 60)
Wem
um alles
in der Welt
ist bloß
der Ausdruck
HOMO SAPIENS
eingefallen
Gewürzt wird aus dem reichhaltigen HERBARIUM, für die schlanke Linie gibt es FITNESSSALATE, gelegentlich BUCHSTABENSUPPEN, zum Dessert SCHERZKEKSE. Immer wieder wird ÜBER DEN TELLERRAND GEGUCKT, dennoch dominiert die HAUSMANNSKOST. An ihren freien Tagen begehrt die Dichter-Köchin: DA BRAT MIR EINER EINEN STORCH! Einwandfrei steht fest: „Drachen machen dumme Sachen“.
Irgendein und Schwein (S. 109)
Es war einmal ein Irgendein
das fühlte sich sehr allein
irgendwann
traf das Irgendein
ein Schwein und fragte:
Willst du mit mir sein?
Da sprach das Schwein:
Was fällt dir ein? Nein!
So blieb das Irgendein allein
Und das Schwein auch.
Wie bereits die Kapitel-Titel vermuten lassen, erweist sich das Kulinarium als äußerst buntes, vielseitiges Buch, man blättert und findet Wortspiele, Rätsel, pfiffige Reime, dennoch bedarf keines der Gedichte einer Rätselrallye, vielmehr erweist sich das Hausbuch als eine Sammlung alltagstauglicher Poesie.
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PS: Meine Enkelin hat den Opa bereits mit dem Ansinnen konfrontiert, dass sie das Buch möglichst bald geschenkt bekommen möchte.