Rezension

Katrin Bernhardt

Fluchtplan lebt nicht mehr

Lyrik

publication PN°1 Bibliothek der Provinz, 1998, Hardcover, 78 Seiten

ISBN 3 85252 2587

 

Ein Buch, das ganz aktuell im Briefkasten der Rezensentin, eingetroffen ist, jedoch schon einige Jahre zurückliegend publiziert worden war; scheint aber gerade heute aktueller denn je zu sein, denn früher, vor diesem allgegenwärtigen – von real bis online – Virus namens SarsCov2 konnte sich jemand noch einen Fluchtplan machen. Heute lebt man ohne Fluchtplan.

Da sitzt also eine mit diesem schmalen Büchlein, griffig gestaltet, Buchbinderkunst, nicht irgendeine Klebebindung mit Deckel vorne und hinten, sitzt da mit viel Lyrik drinnen. Woher der Gedanke kommt, dass das Buch sich für das Nachtkästchen im Spital oder der Rehaklinik eignen kann, das ist egal, denn dort, wo der Lesewille von der Physis und dem Therapieplan konterkariert wird, dort liest sich Lyrik noch allemal am besten. Von daher muss wohl diese Assoziation gekommen sein. Lyrik liest sich objektiv gesprochen nirgendwo oder immer am besten.

Da sitzt also eine, die ob mit oder ohne Fluchtplan stets im eigenen grenzenlosen Optimismus gefangen ist und liest diese Gedichte, die sich dem Optimismus vehement entgegenstellen, aber so, dass doch am Ende wieder nur dieser herauskommt: Der Todesgeruch / nach sterbenden Pflanzen. / Moderndes. / … Irrlichter im Organisationsalltag. / Komm zurück, / bei Zimt und Mandarinenduft.

Die Negation des Fluchtplans ist der lebendige Aufbruch in eine allgemeine Zukunft, kann die Quintessenz nach der Lektüre sein: Den schönsten Diamanten / an die Oberfläche gebracht / Verbanne mein Ich

Katrin Bernhardt weiß wohl ihre Gedanken so lyrisch zu setzen, dass der Rezipient sich nicht aus dem Staub machen darf: Bekenne endlich / Ich weiß es schon lange / Schlangenmuster / So launisch wie das Wetter / …

Ein Fluchtplan ist doch im Leben sowieso ein Ding der Unmöglichkeit und in die Depression eines Todgeweihten will niemand verfallen, jedenfalls nicht freiwillig, solange die Lebensfreude noch zumindest minimale Funken sprüht: … / die Seele wendet sich ab / im Halbschlaf davongelaufen / weiß wo ich stehe / mein Leben Setzt euch also dieser Lyrik aus und überprüft euer seelisches Betriebssystem! Lyrik, die einen Blumentrog aus Waschbeton zu besingen vermag, hat schon heilsame Wirkung.

 

Rezensentin: Doris Kloimstein

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